UX-KPI#5: Erst kopieren, dann kapieren, dann adaptieren: UX-KPIs fürs UX-Management

Blogbeitrag vom 22 Jan., 2025


In der Welt der User Experience (UX) gibt es zahlreiche Kennzahlen und Metriken, die dabei helfen sollen, den Erfolg und die Qualität eines Produkts im Sinne der UX zu bewerten. Eine davon ist die UEQ KPI – abgeleitet aus dem „User Experience Questionnaire (UEQ)“ (www.ueq-online.org). Doch wie bei jeder KPI gilt: Eine Kennzahl ist schnell eingeführt, aber erst wenn man sie wirklich versteht und an die eigenen Bedürfnisse anpasst, zeigt sie ihre volle Stärke. In diesem Blogpost erfahrt ihr, warum ich mit meinen Kunden nach dem Prinzip „Kopieren – Kapieren – Adaptieren“ vorgehe und was es braucht, um die UEQ KPI sinnvoll im Unternehmen zu verankern. Die Grundlage für ein ordentliches UX-Management. Ich werde hier die UEQ KPI als Beispiel nehmen. Es gehen natürlich auch andere UX KPIs.

Warum eine KPI für User Experience?

Bevor wir zu den drei Schritten kommen, kurz ein Blick auf den Sinn von UX-KPIs:

Messbarkeit und Vergleichbarkeit: UX-Erlebnisse sind subjektiv. Eine Kennzahl wie die UEQ KPI übersetzt dieses Erleben in messbare Zahlen, sodass sich Produkte, Versionen oder Zeitpunkte miteinander vergleichen lassen.

Schwerpunktsetzung: Gerade in agilen Teams sind Ressourcen begrenzt. Eine KPI kann helfen, Entwicklungsaufgaben zu priorisieren – d. h. dort zu investieren, wo das größte UX-Potenzial wartet.

Langfristige Weiterentwicklung: Wer regelmäßig misst, erkennt Trends und kann gezielt korrigieren, bevor Probleme groß werden.

In der folgenden Abbildung ist eine Übersicht über die gängigsten UX KPIs dargestellt.

Die UEQ KPI kombiniert die Skalen des UEQ (z. B. Effizienz, Perspicuity, Stimulation) und gewichtet sie je nach Bedeutung für das jeweilige Produkt. Doch was nützt das Zahlenwerk, wenn man nicht weiß, wie es zustande kommt und wie man es im Kontext richtig interpretiert?

Schritt 1: Kopieren

Im Unternehmensumfeld werden gern etablierte Kennzahlen genutzt. Das „Kopieren“ einer KPI – also ihre direkte Übernahme – ist dabei oft die erste Wahl:

1. Bekanntheit: Die UEQ ist ein standardisiertes, validiertes Verfahren, hinter dem eine größere Community steht. Es funktioniert natürlich auch mit anderen KPIs. Diese sollte nur zum Produkt passen.

2. Einfacher Start: Erste Studien und Messungen lassen sich schnell umsetzen; man erhält rasch Ergebnisse und kann sie im Team teilen.

3. Allerdings: Blinder Aktionismus kann dazu führen, dass man zwar Werte sammelt, diese aber weder versteht noch nachhaltig nutzt.

Kopieren ist kein Verbrechen – ganz im Gegenteil: Es spart Zeit und schließt an vorhandene Best Practices an. Aber dieser Schritt ist nur der Anfang.

Schritt 2: Kapieren

Jetzt wird es entscheidend: Was misst die UEQ KPI eigentlich genau?

Inhalte verstehen: Das UEQ erfasst (vereinfacht gesagt) pragmatische und hedonische Qualitäten eines Produkts. Die daraus resultierenden Skalenwerte lassen sich mit Bedeutungsgewichten zu einer Gesamtkennzahl – der UEQ KPI – zusammenfassen.

Kontext prüfen: Wird das Produkt sehr selten genutzt? Handelt es sich um eine komplexe Businesssoftware oder um eine Consumer-App? Die Bedeutung einzelner Skalen (z. B. Effizienz vs. Attraktivität) variiert stark nach Produkt- und Nutzertyp.

Datenerhebung hinterfragen: Wie oft wird gemessen? Mit welcher Zielgruppe? Unter welchen Bedingungen? Nur wenn das alles transparent ist, kann man die Ergebnisse richtig einordnen.

Dieser Schritt des Verstehens ist enorm wichtig, denn wer die UI-Skalen, ihre Hintergründe und die Gewichtung in der KPI nicht durchdringt, kann schnell in die Falle tappen, Zahlen zu überinterpretieren oder falsche Schlüsse zu ziehen.

Schritt 3: Adaptieren

Sobald man „kapiert“ hat, was die UEQ KPI misst und wie sie zustande kommt, sollte man sie auf das eigene Produkt und die Unternehmenskultur abstimmen. Das nenne ich „Adaptieren“:

Faktoren-Auswahl: Vielleicht sind manche UEQ-Faktoren (z. B. „Novelty“) weniger wichtig. Andere, wie „Perspicuity“, sind essenziell. Die Auswahl sollte den tatsächlichen Prioritäten des Produkts entsprechen.

Sinnvolle Kommunikation: Habt ihr die KPI im Team angepasst, kommuniziert sie erst dann im gesamten Unternehmen. Zeigt auf, warum und wie ihr euch genau diese Faktorenwerte anschaut und was sie bedeuten.

Kombination mit anderen Methoden: Die UEQ KPI liefert einen Überblick, aber qualitative Methoden wie Interviews oder Beobachtungen sind oft wertvoll, um Ergebnisse zu untermauern.

Genau in diesem Schritt etabliert ihr die Kennzahl wirklich in eurem Unternehmen – und zwar so, dass alle mitreden und sie annehmen können.

Warum das Ganze Zeit braucht

Man könnte meinen, das Einführen einer KPI wie der UEQ KPI geht zack-zack. In der Praxis trifft man jedoch auf verschiedene Hürden:

1. Vorwissen aufbauen: Viele Teams wissen nicht, was hinter Begriffen wie „Pragmatic Quality“ oder „Hedonic Quality“ steckt.

2. Org-Strukturen: Oft existieren Reporting- und Meetingstrukturen, in die eine neue Kennzahl sauber eingepasst werden muss.

3. Kulturwandel: Eine KPI bildet Realität nur bedingt ab. Werden die Beteiligten schnell KPI-„gläubig“, wird es schwierig, sie später wieder abzuschaffen oder zu ersetzen.

Gerade das Abschaffen einer Kennzahl gestaltet sich mitunter komplizierter als die Einführung. Und zum Schluss geht es doch um ein zielgerichtetes UX-Management.

Fazit: Kopieren – Kapieren – Adaptieren

Die UEQ KPI ist ein hervorragendes Instrument, um UX in eine aussagekräftige Kennzahl zu übersetzen. Doch sie erfüllt ihren Zweck nur, wenn man sie nicht bloß „blindlings kopiert“, sondern sie verstanden und kontextgerecht weiterentwickelt hat. Eine KPI, die man nicht durchdringt oder falsch einsetzt, kann zu falschen Entscheidungen führen – und das Gegenteil einer echten UX-Verbesserung bewirken.

Mit dem dreistufigen Ansatz – Kopieren, Kapieren, Adaptieren – legt ihr hingegen eine solide Basis, um Daten wirklich zu verstehen und in strategische Maßnahmen zu übersetzen. Und glaubt mir: Das lohnt sich! Ihr sichert damit sowohl das Vertrauen in die Kennzahl als auch langfristig zufriedene, loyale Nutzer.